Vancouver

Auf meine Zeit in Seattle folgt, 4 Zugstunden nördlich an der Pazifikküste gelegen, die kanadische Stadt Vancouver. Mein Aufenthalt in der Stadt ist zweigeteilt, er umrahmt die Reise nach Vancouver Island die so besonders ist, dass sie einen eigenen Eintrag verdient. Bei der ersten Hälfte ist meine Freundin Sophie mit dabei und ich bin ganz froh wieder gemeinsam unterwegs zu sein. Es ist für mich immer schöner das Schöne teilen zu können - und der Zeitunterschied von 9 Stunden zu Zuhause ist nicht unerheblich, vor allem wenn man allein unterwegs ist. Ich kann mich nur bis ca 13 Uhr meine Zeit mit daheim austauschen, danach schläft Wien zum großen Teil.

Sophie ist also bei mir, und gemeinsam haben wir einige Regentage in Vancouver erwischt. Wir besuchen den Pacific Spirit Regional Park, der rundherum um die berühmte University of British Columbia (UBC) liegt. Selten eine Uni gesehen, die eine so fantastische Lage hat. Der Park an sich ist wunderschön, es fühlt sich an als würde man durch einen Regenwald gehen, an einem durchnässten Tag wie heute ganz besonders. Dichte Nebelschwaden hängen zwischen den Bäumen und es würde mich nicht wundern, wenn plötzlich ein Edward von Baum zu Baum springt (Twilight-Referenz, unweit von hier wurde gedreht). Dichte Moosflechten hängen schwerwiegend an den Bäumen, je weiter Richtung Boden und je weniger Sonne desto dichter. Die Wälder an der Pazifikküste wirken dadurch wie Regenwälder und sind es oft auch.

Am zweiten Tag geht's ans Stadt erkunden und wir sind schnell durch mit Gastown bei Downtown, wo sich für Touris mehr tut und wo Kanadier ganz begeistert sind, dass es angeblich einen europäischen Touch besitzt. Wir besuchen eine Galerie für indigene Kunst, die dem Ausnahmetalent Bill Reid gewidmet ist. Am dritten Tag begeistert uns ein Spaziergang Downtown an der Promenade Richtung Stanley Park, der auch ganz außergewöhnlich toll ist, und unser abendlicher Ausflug nach Westend, wo wir uns über Käse-Ramen trauen (zu empfehlen, wenn man das Extravagante schätzt).

Am Ende meiner Zeit in Kanada verbringe ich nochmal ein paar Tage in Vancouver, dann schon großteils allein. Gemeinsam besuchen wir noch den Capilano Suspension Bridge Park, ein Hängebrückenpark durch den Wald und über eine Schlucht. Dort gehen wir oben in den Lüften von Baum zu Baum, lernen Lucy die Eule kennen und schwanken mit dem Rest der Touris eher ungemütlich über die Hängebrücke. Auch wenn es überteuert ist: ein Besuch dort lohnt sich schon, wohl besonders als Familienausflug.

Dann reist Sophie ab und ich muss mich als Alleinreisende erst wiederfinden. So toure ich durch die Stadt, auf der Suche nach Natur, weil ich das weiterhin am meisten brauche. Ich schau mir nochmal Stanley Park an, eine riesige Parkanlage mit Teichen, Totempfählen, Promenaden, Waldwegen, Gänsebabys und Stränden mitten in der Stadt. Wer von Vancouver nach West oder North Vancouver will, muss da durch, und brettert im Bus oder Auto durch den Park. Das merkt man aber meistens nicht, es ist still bis auf die Geräusche von Eichhörnchen, Ästen im Wind und Vogelgezwitscher. Ziemlich schön, so direkt in der Stadt.

Am Anfang meiner Zeit in Vancouver wollte ich unbedingt UBC und diesen wunderbaren Pacific Spirit Regional Park nochmal besuchen, und so fahre ich an einem heißen Tag wieder hin auf der Suche nach Schatten. Leider bin ich zu lang an der Uni, verirre mich in einem Studentenwohnheim in dem ich wohl nicht hätte sein sollen, und gehe die steilen Stufen hinunter zum Strand. Oben gibt's noch einen Smoke Van, für alle jene, die sich für den Strandbesuch eindecken wollen. UBC liegt wie gesagt absolut großartig, auf der einen Seite dieser fabelhafte Wald, auf der anderen der Strand und das Meer. Wie soll man sich hier auf die Uni konzentrieren?

Ich möchte eigentlich zum bewaldeten Abschnitt und denke mir, dass ich die Küste entlang spazieren kann bis zum Wald, unterschätze aber die Entfernung enorm. Außerdem geht es über Stock und Stein und ich muss öfter über Baumstämme balancieren. Der Strand ist zum Teil einer, bei dem Kleidung optional ist, und so begegnen mir auf meiner Wanderung durch die Hitze sehr viele Nackedeis, oft auch mit Wanderschuhen, Hut und Rucksack aber sonst eben nichts. Ich komme mir so voll & ganz bekleidet fehl am Platz vor, will aber diese Stufen nicht wieder rauf. Am Ende muss ich es doch, und auch der Plan mit dem Wald ist zeitbedingt verworfen.

Mein letzter Tag in Vancouver und noch immer ist es heiß. Ich will wieder in den Wald, diesmal unweit von meinem Airbnb in North Vancouver. Dazu muss ich eine stark befahrene Straße entlang und dann eine noch stärker befahrene Brücke überqueren. Es ist ungemütlich, aber der Wald ruft und ist nicht mehr weit. Bis ich merke, dass meine gewünschte Tour nicht möglich ist, ich muss großflächigst ausweichen und lande im reichen Viertel der Stadt. Als einzige Fußgängerin in diesen Straßen falle ich wieder auf - all jenen, die im Jaguar an mir vorbeidüsen. Es ist hier wie in den Hollywood Hills, es geht bergauf und mit jedem Höhenmeter werden die Villen angeberischer. Ich bin erinnert an das Zuhause von Rory Gilmores Großeltern. Auch über einen Park unterwegs freue ich mich zu früh – es ist ein Golfplatz und Außenstehenden der Zugang untersagt.

Am Ende ist doch alles gut und ich gelange zum gewünschten bewaldeten Park, wandere einen Fluss entlang bis zu einem Damm, einem See der als Trinkwasserreserve für Vancouver dient und einer Fischstation für flussaufwärts wandernde Lachse. Ich habe einen tollen letzten Tag in Kanada.

An meinem Tag der Abreise liegt zum ersten Mal eine Art seltsamer Dunst über der Stadt, Wiener*innen kennen das vom Saharastaub. Wenn ich es nicht besser wüsste hätte ich Smog vermutet, aber die Luftqualität in Vancouver ist mitten in der Natur sehr gut. Der Busfahrer erzählt uns mehr: wie in den Medien berichtet gibt es in einigen Wäldern Kanadas aufgrund der Trockenheit schon jetzt bedrohliche Waldbrände, nun hat der Wind gedreht und die Brände verbreiten die Asche großflächig über den Westen Kanadas und über den US-Bundesstaat Washington. Der Schauplatz ist nicht gerade ums Eck, es ist beängstigend, dass das so weithin sichtbar ist.

Um nicht zu dystopisch zu enden, möchte ich mein Loblied auf Vancouver Island ankündigen: wir haben dort eine fabelhafte Zeit verbracht und jede Minute genossen. Von unserer Cabin am See über leere Sandstrände und einen versteckten Wasserfall - meine wärmste Reiseempfehlung folgt bald!

22. Mai 2023