New York City zweiter Akt – vom Skulpturenpark zur Teigtascherlfabrik

Die Tage vergehen im Flug, (k)einer ist schöner als der andere. Wir wohnen in einem abgelegeneren Viertel von Brooklyn, im Osten von BedStuy wo sich typische New Yorker Einfamilienhäuser endlos aneinanderreihen. Bei der Ankunft waren die Straßen noch ein wenig trist aber seit unserer Ankunft haben die Bäume zu blühen begonnen und plötzlich, innerhalb weniger Tage, war alles grün.

30°C hatte es schon an manchen Tagen, das ist für New York im April ein neuer und beängstigender Rekord. Es war ein kurzer Gruß des Sommers, der aber Sightseeing unmöglich gemacht hat. Als feines Alternativprogramm hat sich daher Coney Island angeboten, ein Tag am Meer. Es war so heiß, dass man es nur im Schatten aushalten konnte, gleichzeitig aber ist das Wasser noch eisig. Coney Island ist ein Vergnügungspark den man mit einer längeren Ubahnfahrt leicht erreicht. Mit Strandbuden und Achterbahnen und einem ganz anderen Vibe als New York ihn normalerweise ausstrahlt könnte man meinen man wäre an der Westküste der USA. Auch an einem See im Prospect Park in Brooklyn war es an einem weiteren heißen Tag viel besser auszuhalten als in der Stadt. Hier tut sich immer was, es gibt endlos viel zu sehen.

Auch ein guter Weg dem sommerlichen street hussle zu entkommen ist ein Ausflug zu Storm King. Der Skulpturenpark 1,5 Stunden außerhalb von New York liegt eingebettet in eine sanfte Hügellandschaft und ergibt eine gelungene Melange aus Natur und Kunst, beides ist mit sehr viel Feingefühl aufeinander abgestimmt. Mit einem Bus von der Penn Station in Manhattan kann man auch direkt öffentlich anreisen. Wenn man die Gelegenheit hat Storm King zu besuchen: definitiv eine sehr große Empfehlung!

An einem der kühleren Tage haben wir einen sehr netten Spaziergang durch Chinatown – Little Italy – Nolita – SoHo – Tribeca unternommen. In Chinatown gibt’s unter anderem einen versteckt liegenden Laden wo man grandiose Teigtascherl bekommt. Eine Chinesin bereitet sie frisch zu, sitzen kann man dort nur wenn man Glück hat, aber für einen unschlagbaren Preis bekommt man die Tascherl zum Mitnehmen und wird satt für den Tag (nicht für Vegetarier/innen geeignet).

Auch im East Village lässt es sich wunderbar flanieren. Es ist alles ähnlich wie im West Village sehr entschleunigt, man kommt hierher um zu genießen. Untertags im Tompkins Square Park Leute schauen, in einem der vielen netten Cafés gemütlich sein, oder abends in zahllosen Bars und Restaurants das Nachtleben genießen. Hier gibt es auch einen sehr berühmten Bagelladen mit riesiger Auswahl an ausgefallenen Aufstrichen und Toppings – vom Birthday Cake Creamcheese bis hin zum Räucherfisch.

New York erlaubt es einem an vielen Orten hoch hinaus zu kommen. Nicht nur im übertragenen Sinn, sondern auch mit ultraschnellen Aufzügen hinauf in die Wolkenkratzer. Während 10 Jahren Bauzeit wurde mit endlosem Baulärm das neue Viertel Hudson Yards aus dem Boden gestampft. Dort thront nun auch das „Edge“ auf dessen Spitze man tatsächlich auf furchterregende Art im Freien steht. Eine Plattform ragt aus dem Gebäude, der Wind bläst ungemütlich und die Zahl der verlorenen Hüte ist dort sicher beachtlich. Die ganz besonders Mutigen lassen sich auf einem durchsichtigen Teil der Plattform fotografieren, wo man runter in die Tiefe sieht. Mir ist mulmig und ich halte nicht lange durch, der Ausblick ist allerdings atemberaubend.

Trotz der vielen Kilometer die wir täglich gehen kratzen wir abends noch unsere Energie zusammen und gehen in den Comedy Cellar im West Village. Die wirklich Großen der amerikanischen Comedy-Szene in den USA hatten dort ihre Anfänge. Wir schütteln uns vor Lachen bei den 5 sehr witzigen Acts, mit Mozzarella Sticks in der einen und Cocktail in der anderen Hand. Wir gehen ins Theater am Broadway und sehen die Filmschauspieler*innen Jessica Chastain und Arian Moayed im großartig inszenierten „A Doll’s House“. Und keine 15 Minuten von unserer Unterkunft entfernt hören wir von einem Rave der unter einer Kirche stattfinden soll – es wird ein legendärer Abend.

In meinen bisherigen Beiträgen schreibe ich des Öfteren von „wir“ – eine Freundin war bisher mit. Sie ist wieder zurückgereist und so spielt es ab jetzt Nina allein in New York.

Am Anfang bin ich total fertig von den vielen tollen Unternehmungen die wir hinter uns haben und ich habe für einige Tage ein Low. Als ich dann mehr oder weniger durch Zufall im Botanischen Garten New Yorks lande, noch dazu mit einem New Yorkerin Resident Ticket, taut meine Begeisterungsfähigkeit wieder auf. Dieser Botanische Garten (NYBG) ist SO schön. Es blühen Flieder und Azaleen, Narzissen und Apfelbäume. Hunderttausende Narzissen wurden gepflanzt, alles wirkt natürlich und nicht angelegt. In jenem Garten, wo die in der Region heimischen Pflanzen wachsen, sehe ich Streifenhörnchen – als Chipmunks weltberühmt. Sie sind klein und flauschig und putzig. Und als ich andernorts intensiv dabei bin den Flieder zu fotografieren spricht mich ein älterer Herr an. Er will dass ich ihn auch fotografiere mit dem Argument „I’m in full bloom too!“

Weniger charmant finde ich mittlerweile die New Yorker Öffis und überhaupt die Lebensrealität in den Städten der USA, wenn man das so generalisierend sagen kann. Es gibt ein immenses Problem mit Obdachlosigkeit, es ist offensichtlich dass es kaum Unterstützung gibt. Auch stehen viele unter Substanzen – ob Alkohol, Medikamente oder Drogen ist oft schwer zu beurteilen. Als ich – eigentlich in einem der besseren Viertel – auf der Straße spazieren gehe, ist jemand neben mir so weggetreten, dass er einen Purzelbaum nach vorne macht und dann einfach liegen bleibt. Viele Menschen reden mit sich selbst in den Öffis oder auf der Straße, schreien plötzlich oder fallen fast vom Sessel weil sie einschlafen. Ein Mann spricht mit einer Laterne und ich mache einen Bogen um ihn. Das sind die Bilder, die man wohl erst deutlicher sieht, wenn man hier länger bleibt. Ich bin gern in dieser Stadt, hab es aber wieder schwarz auf weiß: nicht um hier zu leben.

Mit dieser Erkenntnis und wunderbarsten Erinnerungen im Gepäck breche ich schließlich auf, nach fast einem Monat in New York. Ich will den Mai an der nördlichen Westküste beginnen und fliege nach Seattle. Was mich dort erwartet lest ihr bald!

1. Mai 2023