Guadalajara & Mexico City

Im mittleren Westen Mexikos gelegen ist Guadalajara die zweitgrößte Stadt des Landes. Sie liegt auf einer Höhe von 1590 Metern und hat damit nicht mehr das tropische Klima Puerto Vallartas. Wir nehmen den Bus dorthin, fahren zunächst steil bergauf durch den Regenwald und dann weiter durch eine von Vulkanen gespickte Hügellandschaft. Der Weg führt uns auch an Tequila vorbei, wo sich Agavenplantagen erstrecken soweit das Auge reicht und der hochprozentige Brand hergestellt wird. Im höher gelegenen Guadalajara ist es herrlich wieder durchatmen und im Freien ohne Schweißausbruch spazieren zu können. Hier verbringen wir nur zwei Nächte und sind glücklicherweise an einem Sonntag in der Stadt. Im Zentrum Guadalajaras steht die Kathedrale, in der am Sonntagvormittag eine große Messe stattfindet. Die Kirchenbänke sind voll und einige geistliche Würdenträger anwesend. Die Predigt ist gespickt von spanischen Kirchenliedern und es liegt eine beinahe greifbare Spannung in der Luft.

Rund um die Kathedrale sind die Straßen den halben Sonntag lang für Autos gesperrt und wir erleben wie der öffentliche Raum erobert wird. Angefeuert von mehreren Zuschauern wird auf einem Vorplatz der Kathedrale Volleyball, Basketball und Fußball auf engem Raum gespielt. Es grenzt an ein Wunder, dass man sich nicht mehr in die Quere kommt, aber es funktioniert und die Stimmung ist ausgelassen. Als wir eine Straße längere Zeit entlangspazieren, wechseln sich grelle Handyshops mit kleinen schnuckeligen Buchgeschäften ab, wir kommen an einem verwunschen anmutenden Gebäude vorbei in dem Tarotkarten gelesen werden und in dessen Hof sich zwei junge schwarze Katzen sonnen. Im nächsten Park tut sich wieder was - ein Breakdance Battle ist voll im Gange, das Publikum bricht in Jubel aus. Wir nehmen die positive Stimmung Guadalajaras auf und machen uns auf den Weg in ein weiter außerhalb liegendes Stadtviertel.

Tlaquepaque liegt südöstlich des Zentrums von Guadalajara und wirkt wie ein eigener kleiner Kosmos. Die Gebäude sind niedrig, die Straßen eher eng und als es mal stärker zu regnen beginnt, merken wir, dass es keinen Abfluss für das Regenwasser gibt. Aber an diesem Sonntag ist es trocken und Tlaquepaque ist voll der guten Stimmung. Rund um die kleine Kirche und den Hauptplatz sind Marktstände aufgebaut, die kulinarisch und materiell bieten was das Herz begehrt. Wir kosten uns durch, pulen gekochte Kichererbsen aus der Schale und essen wieder mal ein Maisgericht. Kinder laufen glücklich umher und bei einer größeren Menschenansammlung sehen wir eine besondere Aktion für Kinder: auf mehreren zusammengestellten Tischen wurde eine Malstation aufgebaut, umgeben von aufgeregten Kindern und deren begeisterten Eltern. Sie haben hier die Möglichkeit Stillleben zu malen – wobei sich dieses Stillleben bewegt und über den Tisch schlängelt. Zwei Schlangen sind diesen Job schon sichtlich gewohnt und bewegen sich über die Zeichenblätter, auf denen sie abgebildet werden.

Auf einer Bühne am Hauptplatz von Tlaquepaque findet ein Festival der Kulturen statt, und wir sind dabei als eine Show mit traditionellem Tanz aus dem Bundesstaat Oaxaca beginnt. Wohin uns an diesem Sonntag unsere Wege führen, es begleiten uns bunte Gewänder, lachende Gesichter und die Liebe zur Musik. Bei einem viel zu großen Tequila, ein edler Tropfen der so viel kostet wie sonst ein Abendessen, beschließen wir unseren besonderen Tag in Guadalajara und Tlaquepaque und fallen in unserer farbenfrohen Unterkunft fröhlich erschöpft ins Bett.

Nach diesem einen sehr intensiven Tag in Guadalajara fahren wir weiter nach Mexico City. Unsere dortige Unterkunft hält nicht was sie verspricht (wir sind unseren Nachbarn weit näher als wir das jemals sein wollten), und das trübt das Ankommen zunächst. Wir wohnen in Roma Norte, das spätestens durch den preisgekrönten Film Roma international zu Berühmtheit gelangt ist. Doch schon nach einer Nacht entschließen wir uns, Unterkunft zu wechseln, was sich als sehr gute Entscheidung erweist. Von da an beginnen wir, Mexico City zu genießen. Hungrig nach etwas anderem als Gerichten mit Mais kosten wir uns durch internationale Küche, schlendern durch das von breiten Alleen und Boulevards gesäumte Jugendstil-Viertel Colonia Condesa. Wir besuchen das Frida-Kahlo-Museum in der Casa Azúl (wegen des Andrangs nur mit Voranmeldung möglich) und machen einen Tagesausflug zu den Jahrtausende alten Pyramiden in Teotihuacán. Als drittgrößte Pyramide der Welt, bildete die Pirámide del Sol gemeinsam mit der Pirámide de la Luna das Zentrum der einst größten Stadt auf dem amerikanischen Kontinent.

Während einer unserer Stadterkundungen nutzen wir die Metro von Mexico City während der Stoßzeit. Als wir schließlich nach langer Fahrt in übervoller U-Bahn aussteigen wollen, drängen die Menschen dermaßen entschlossen in den Waggon, dass nur ich mich aus der U-Bahn schälen kann, und meine Freundin Lara durch die Menschenmassen im Waggon zurückbleibt und gezwungen ist weiterzufahren. Ich fahre ihr nach und so treffen wir uns bei der nächsten Station, wo ein bitterer Nachgeschmack bleibt bis wir eine Entdeckung machen: jeweils der vorderste Waggon ist Frauen, Kindern und minderjährigen Jugendlichen vorbehalten. Auf dem Bahnsteig wird jeweils überwacht, dass Unbefugten (ergo Männern) der Zutritt verwehrt bleibt. Von da an haben wir keine Probleme mehr beim Nutzen der Metro und genießen diesen Safe Space, den ich mir für jede Metropole wünschen würde.

Als wir schließlich Abschied nehmen von Mexico City nehmen wir ein Taxi von unserer Unterkunft. Kaum sind wir losgefahren, landen wir in einem Straßenmarkt, aus dem es erst eine halbe Stunde später und durch minutiöse Millimeterarbeit unseres Fahrers ein Entkommen gibt. Links und rechts und vorne und hinten herrscht reges Treiben, ein Limonadenstand muss verrückt werden damit unser Auto durchpasst. Hinter uns hupt ein Mopedfahrer, an allen Seiten wird verhandelt. Die Stadt entlässt uns schließlich in Richtung Flughafen, wo wir uns mit bunter Lebenslust im Herzen wieder auf zuhause freuen.

29.11.2023